Wattenmeer

"Wat'n Watt!" - staunt der junge Mann, der oben auf der Deichkante steht und in die unendlich weite Wattlandschaft hinausblickt. Die Nordsee hat sich für ein paar Stunden zum Horizont zurückgezogen. Zurück geblieben ist ein Haufen platten Sandes, von Wasser und Wind geriffelt, Wasserpfützen, sich wurmartig windende Priele, Algenreste, Krabben und Krebse. Wolkenherden galoppieren darüber hinweg. Mehr optische Attraktionen hat das Watt auf den ersten Blick nicht.

Dass das Watt dennoch diese suchtartige Anziehungskraft hat, liegt an der schwer erklärbaren emotionalen Mischung aus jodhaltiger Luft, den Signalrufen aufsteigender Vögel und diesem sagenhafte Gefühl von Freiheit, das der grenzenlos scheinende Horizont birgt. Die Weite der Natur löst Empfindungen von Gelassenheit, Bescheidenheit, Freiheit und Frieden aus. Gedichte werden erdacht, Grübeleien in den Wind geblasen. Krisen lösen sich in Luft auf. Kein Windsor-Castle, kein Louvre kann mithalten, wenn man im Watt oder auf den schnurgeraden Deichen zwischen den weidenden Schafen hindurch endlos spazieren geht.